Trotzphase - Kinderarzt / pediatra

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Trotzphase

Tipps-consigli
Liebe Eltern,
Trotzanfälle treten vor allem im 2. und 3. Lebensjahr bei fast allen Kindern auf. Es hat prinzipiell nichts damit zu tun, dass Eltern etwas falsch gemacht haben, aber immer wieder geben sich Eltern selbst die Schuld dafür. Manchmal wird die Belastung bei exzessivem lang anhltendem Trotzen dermaßen stark, gerade auch für die Beziehung der Eltern untereinander, dass man völlig die Kontrolle verliert und eine tiefgreifende Beziehungskrise entsteht. Für mich als Kinderarzt ist das Wohl des Kindes am Wichtigsten und ich bin in dieser Hinsicht auch der "Anwalt" des Kindes. Und als Anwalt des Kindes muss ich sagen, dass es dem Kind gerade deswegen am Besten gehen kann, wenn es den Eltern gut geht! Aus diesem Grunde ist für mich eine gut funktionierende Partnerschaft genauso wichtig, wie die Gesundheit der Kinder, weil das eben zusammenhängt! Die Eltern sind das Fundament eines glücklichen Kindes, vergesst das nie! Ich bedauere, dass so viele Ehen in die Brüche gehen. Das Drama dabei ist, dass man am Weg bis zum Bruch der Beziehung so viele kleine unscheinbare Fehler macht, dass man sich bis am Ende dermaßen entfremdet, oder auch gerade deswegen jemand Anderen kennen lernt, dass dann der Punkt erreicht ist, an welchem eine Trennung für alle Beteiligten der bessere Ausweg ist. Trotz allen Hasses, welcher allgemein gesehen in einer Scheidung zu tragen kommt, kann ich nur dafür plädieren, dass man die Kinder aus dem Spiel lässt, denn sie könnnen nichts dafür und können sogar gut damit umgehen, wenn die Kinder mit beiden Eltern eine "halbwegs" normale Beziehung weiterführen können. Schon bei Geburt des ersten Kindes beginnt oft der Stress für die Eltern und das ist einfach normal. Leider rückt das Kind nicht selten zu sehr in den Mittelpunkt des eigenen Lebens. Aber wie lange sind denn die Kinder bei Euch und was ist danach? Ich betone, dass es dem Kind nur gut gehen kann, wenn es den Eltern gut geht. Die Mutter muss in erster Linie, so wie der Vater auch, auf sich selbst schauen, dass es ihr selbst gut geht, dass sich Vater und Mutter das Leben den Umständen entsprechend gut organisieren, denn das Leben ist nun leider kein Zuckerschlecken. Gemeinsam hat man dann die Kinder, aber für sich selbst muss man immer an erster Stelle bleiben, an zweiter Stelle bleibt der Partner. Gemeinsam hat man die Kinder! Sätze wie "Du musst verstehen, jetzt ist das Kind da, ich habe keine Zeit für Dich" sind kritisch für die Beziehung. In den Augen der Eltern sind die Kinder oft Schuld am Scheitern der Beziehung, gerade bei Kindern mit ekzessivem Trotzen. Die treibende Kraft aber für den Streit der Eltern ist nicht etwa das Kind selbst, sondern das Missverstehen der Situation und der falsche Umgang damit. Der nachfolgende Artikel soll helfen zu verstehen, dass Trotzen einfach eine Entwicklungsphase des Kindes betrifft, dass man kein Gewicht darauf legen soll und er soll helfen, dass man sich auch in schwierigen Situationen richtig verhält. Der nachfolgende Artikel soll auch verstehen helfen, dass hier niemandem die Schuld gegeben werden kann und dass die Eltern einen Weg finden können, gemeinsam damit umzugehen. Wenn die Situation eskaliert, vereinbart bitte einen Termin mit mir, denn ein Gespräch mit einer außenstehenden Person ist oft hilfreich.

Tipps und Tricks bei Trotzanfällen
Bei den meisten Kindern ist Trotzen ein Durchgangsphänomen. Durch Aufklärung und einige praktische Verhaltensregeln können Eltern lernen, die nervenaufreibenden Situationen zu meistern. Trotz erwächst aus Spannungszuständen, die für ein Kind unerträglich sind. Trotzen ist beim Kind nicht von einer Absicht getragen, sondern meistens Ausdruck dafür, dass die emotionale Regulation von Frustration nicht gelingt. Für die weitere psychische Entwicklung ist es entscheidend, wie gut es dem Kleinkind gelingt, sich in diesen emotionalen Krisen nicht nur auf die Koregulation der Eltern zu verlassen, sondern sich zunehmend selbst zu regulieren. Wenn diese Regulationsbemühungen dem Kleinkind und den Bezugspersonen „genügend gut“ gelingen, spricht man von „normalem“ Trotz und „normalen“ Trotzanfällen in dieser Entwicklungsphase des 2. und 3. Lebensjahres. Wenn das Trotzen exzessiv wird und vor allem persistiert, sind die Interaktionen und die Beziehungen zwischen Eltern und Kind belastet. Ältere Kinder, die aggressives Verhalten zeigen und Regeln nicht einhalten können (was von den Eltern meistens als Ungehorsam empfunden wird), werden diagnostisch als Kinder mit oppositionellem Verhalten beschrieben. Die Trotzanfälle dauern meistens zwischen 30 Sekunden und 5 Minuten, bei exzessivem Trotzen auch länger.
Normales Trotzen
Bei fast allen Kindern ist das Trotzen ein entwicklungsbedingtes Durchgangsphänomen- Durchgangsphänomenen. Bei der Mehrzahl der Kinder fängt der Trotz zwischen dem 15. und 19. Lebensmonat an. Bei 17 Monate alten Kindern tritt das Trotzen in 80% der Fälle auf, es hat einen Häufigkeitsgipfel› bei den 2-Jährigen und geht dann bis zum Alter von 5 Jahren langsam zurück. Offenbar gibt es hinsichtlich des normalen Trotzens keine Häufigkeitsunterschiede bei Jungen und Mädchen. Zum normalen Trotzen gehören auch entwicklungsangemessen erste körperliche und verbale Aggressionen. Aggressive Verhaltensformen zeigen bis zu 80 % der Kinder im Alter von 12 bis 17 Monaten. 70% aller Kinder nehmen einem anderen ein Spielzeug weg, 46 % schubsen und stoßen andere, 21–27 % beißen, kratzen, treten und schlagen [5]. Auslösesituationen Frustrationen ergeben sich im Alltag ständig. Sie werden ausgelöst, weil ein Kind in seinem Vorhaben gestört wird, seine Bedürfnisse nicht erfüllt werden Nun heißt es für die Eltern, einen neuen und spannenden Reiz zu setzen, um das Kind aus seinem Trotzanfall zu befreien. Normales und persistierendes Trotzen oder es sich mit einem Vorhaben übernommen hat und von sich selbst enttäuscht ist. Es handelt sich um Konflikte zwischen kindlichem Wunsch und elterlichen Absichten. Müdigkeit oder Hunger können die Spannungstoleranz für das Meistern der Frustration zusätzlich vermindern. Typische Auslösesituationen sind: Ein Kind ist ins Spiel vertieft und rastet aus, wenn die Eltern sagen: „Komm, wir müssen los!“; Anziehen, Waschen, Zähneputzen werden als Akte elterlicher Machtausübung empfunden; das Kind trödelt beim Anziehen, und die Eltern drängeln; das Kind lässt sich im Auto nicht festschnallen. Beratung der Eltern Eltern sollte man bewusst machen, dass das Trotzen ein vorübergehendes Phänomen ist. Sie brauchen für die Trotzphase Geduld und Gelassenheit sowie eine gewisse Geschicklichkeit und Fantasie, um die Kinder in ihrem Aufmerksamkeitsfokus abzulenken. Wenn das Kind nicht durch sein reizsuchendes Verhalten überstimuliert ist, hilft meistens ein neuer, spannender Reiz, um mit dem Kind aus der Situation zu entziehen. Plötzlich sind Schmerz und Wut wie weggeblasen. Eltern müssen eine entsprechende Haltung dem Kind gegenüber aufbauen und Lösungen für Konfliktsituationen entwickeln. Deshalb ist es auch sehr ratsam, mit den immer wiederkehrenden Konfliktsituationen vorausschauend umzugehen. Hilfreich ist auch eine Neugier auf Grenzerfahrungen. Wenn Eltern dem Trotzen als kindlicher Machtdemonstration etwas abgewinnen können, halten sie selbst mehr Spannung aus. Ein Interesse an „großen Gefühlen“ wie Stolz und Wut überbrückt anstrengende und belastende Phasen in der Beziehung. Für Eltern ist es wichtig, zu verstehen, dass das trotzige Verhalten ihres Kindes keine Ablehnung bedeutet. Das 2- bis 3-jährige Kind kann und will jetzt mehr, aber erfährt, dass es eben noch nicht alles kann, und es kann noch nicht so, wie es gerne will. Außerdem fehlt es ihm an Ausdauer und Geduld. Es liebt seine Eltern und möchte im „Trotzanfall“ das Gefühl erfahren, auch mit heftigen, unkontrollierten und manchmal auch sehr wütenden Emotionen angenommen zu werden. Insofern ist Trotz vom Ungehorsam klar zu unterscheiden.
Exzessives Trotzen
Exzessives Trotzen ist de›definiert als mindestens drei Trotzanfälle pro Tag von jeweils mindestens 15 Minuten Dauer. Unangemessen häufiges›häufiges›, lang anhaltendes und intensives Trotzen, das manchmal wie ein „Trotzanfall“ erscheint, belasten das Kind und die Eltern. In den Trotzphasen ist das Kind hoch erregt, zornig und neigt zu aggressiven, (auto-) destruktiven Handlungen. Es ist „außer sich“ und kann sich nicht selbst beruhigen. Oft kommen die Eltern nach aggressiven Handlungen des Kindes gegenüber Objekten oder – häufiger – Personen zur Beratung: Das Kind hat zum Beispiel ein anderes Kind in der Kinderkrippe gebissen oder lässt keine Gelegenheit aus, das jüngere Geschwister zu schubsen oder zu treten. Manche Kinder schlagen in einer autodestruktiven Handlung den Kopf gegen die Wand oder den Boden. Dieses aggressive Verhalten kommt bei fast allen Kindern im Trotzalter vor und nimmt zunächst zu und dann wieder ab. Exzessives Trotzen muss nicht pathologisch sein. Wenn allerdings den Eltern die emotionale Regulation des Kindes in diesen Krisen nicht gelingt, persistiert die maladaptive Interaktion. Dann besteht das Risiko, dass das exzessive Trotzen später in oppositionelles Verhalten übergeht.

Häufigkeit des exzessiven Trotzes
Exzessives Trotzen und häu›fige, lang anhaltende „Trotzanfälle“ sind bei Kindern im Alter zwischen 15 und 30 Monaten der häu›gste Anlass für eine Beratungsanfrage. In unserer Eltern-Säuglings-/Kleinkind-Sprechstunde am Universitätsklinikum Heidelberg stellen 27 % der Eltern ihr Kind wegen exzessiven Trotzens und häufiger und intensiver Trotzanfälle vor. Exzessives Trotzen fanden Needlman et al. bei 6,8 % der untersuchten 3-Jährigen. In anderen Studien lagen die Zahlen zwischen 5 und 20 % . In dieser Altersgruppe leiden Jungen häufiger als Mädchen unter exzessivem Trotzen . Wenn das Trotzen und die Trotzanfälle persistieren, ist das Trotzen meistens mit oppositionellem Verhalten verbunden. Papoušek und von Hofacker weisen mit Recht darauf hin, dass dieses aggressive Verhalten im engeren Sinne nicht destruktiv gemeint ist. Das Kind will nicht verletzen, sondern die Aufmerksamkeit der Bezugspersonen haben und seinen Willen durchsetzen. Nicht das Auftreten der Aggression im 2. Lebensjahr stellt das Problem dar, sondern die Faktoren, die dazu beitragen, dass die aggressiven Handlungen persistieren und zunehmend vom Kind instrumentalisiert werden. Das Kind lernt sehr schnell, dass es sich mit aggressiven Handlungen Vorteile verschaffen kann, wenn es keine Grenzen gesetzt bekommt.

Diagnostik
Eine erste Einschätzung eines trotzigen Kindes bekommt man bei der Beobachtung seines Spiels im Erstgespräch. EinFallbeispiel: exzessives Trotzen Frau F. kommt in die Beratung, weil ihr 20 Monate alter Sohn Julian immer wieder „ausraste“. Das komme 2- bis 3-mal am Tag vor. Die Anlässe seien meistens nichtig. Er wolle dann einfach nicht so, wie sie wolle. Wenn sie darauf bestehe, dass jetzt zum Beispiel Essenszeit sei, er aber noch weiter spielen wolle, fange er an zu toben. Er werfe dann Spielsachen in seinem Zimmer herum und schlage und trete mit seinen Fäusten und Füßen gegen die Wand oder die Tür. Wenn sie ihn beruhigen wolle und auf ihn zugehe, schlage er auch sie. Er sage dann zu ihr: „Geh weg!“ Hinter verschlossener Tür beruhige er sich dann langsam. Besonders das abendliche Einschlafen sei schwierig. Julian schlafe, begleitet von langwierigen Ritualen und Geschrei, nur auf dem Arm ein. Erst dann könne er ins Bett gelegt werden. Wenn Julian einen seiner „Anfälle“ habe, werde sie nach wenigen Minuten so wütend, dass sie Angst vor sich selbst bekomme. Dies sei der vorrangige Grund, weshalb sie jetzt um Hilfe nachsuche. Bislang habe sie ihre Wut und Ohnmacht immer „heruntergeschluckt“, aber jetzt sei sie am Ende mit ihrer Kraft. Blicke in die Art der Kommunikation und die Beziehung zwischen Eltern und Kind sind durch die Beobachtung der Interaktion im Konsultationszimmer möglich. Auch die erzieherischen Kompetenzen der Eltern lassen sich durch die Beobachtung ihres Umgangs mit dem Kind einschätzen. Psychodynamisch ist die Übertragungsdynamik schnell im Raum. Eigene Ohnmachtsgefühle der Therapeuten verweisen auf die Gefühle von Eltern und Kind. Aufommende eigene Aggressionen und Überlegungen zur Grenzsetzung können für die Arbeit mit der Familie nutzbar gemacht werden. An Szenen, die unbewusstes szenisches Verstehen möglich machen, mangelt es meistens nicht. Die Prognose ist abhängig vom Grad der Beeinträchtigung des kindlichen Funktionsniveaus. Auch das Temperament des Kindes beeinflusst als konstitutioneller Faktor das Trotzen. Kinder mit hoher affektiver Reaktionsbereitschaftzeigen eine höhere Erregungsintensität und eine Neigung zur Impulsivität. Auch die Einschätzung der Sprachentwicklung ist wichtig. Wenn das Kind zu wenig spricht, kann es seine Bedürfnisse nicht angemessen äußern und ist schneller frustriert. Eine forcierte Sprachentwicklung und ein überwiegend verbaler Erziehungsstil der Eltern können das Kind überfordern. Beides kann zu vermehrtem Trotzen beitragen.
Der Schweregrad des exzessiven Trotzens ist darüber hinaus von der Dauer der aktuellen und vorausgegangenen Regulationsstörungen abhängig (Persistenz). Wie bei den Regulationsstörungen im Säuglingsalter korreliert die Ernsthaftigkeit des Problems mit der Anzahl der Störungsbereiche (Pervasivität). Wenn Ein- und Durchschlafstörungen (wie im Fallbeispiel) beziehungsweise Fütterstörungen hinzukommen, ist das Problem gravierender. Rasch überforderte Eltern können nur eingeschränkt zur emotionalen Regulation der kindlichen Krisen beitragen. Überforderte Mütter von Jungen scheinen besonders zu aversivem Verhalten zu neigen.
Die Rolle der Eltern
Im Verhalten sind diese Eltern meist impulsiv und unkontrolliert oder nachgiebig „um des lieben Friedens willen“ und dadurch inkonsequent und ebenso inkonsistent in ihren Verhaltensantworten. In der Partnerschaft sind sie sich im Hinblick auf den erzieherischen Umgang mit dem Kind nicht einig. Autoritär-kontrollierende Väter tragen zu einer schlechteren Prognose nur dann bei, wenn sich auch die Mütter diesem Erziehungsstil anschließen. Anzumerken ist jedoch, dass es an Forschung über den Beitrag der Väter bislang mangelt. Ist die Selbstregulationsfähigkeit des Kindes in extremem Ausmaß eingeschränkt, kann dies zu einer Überforderung der Eltern in Bezug auf ihre intuitive Kommunikationsfähigkeit und die ihnen zur Verfügung stehenden Regulationshilfen führen. Die ungünstigste Prognose haben affektiv leicht erregbare Kinder, die zu häu›gen Trotzanfällen neigen, mit Eltern, die aufgrund ihrer belasteten Biogra›fie geringere Möglichkeiten der emotionalen Modulation haben. Wenn die Eltern frühere, im Säuglingsalter aufgetretene Regulationsstörungen ihres Kindes erfolgreich bewältigen konnten, ist dies ein Hinweis für eine günstige Prognose. Fühlen Eltern sich nicht von ihrem Kind abgelehnt und gelingt es ihnen, eine warmherzige, emotional positive Beziehung zu ihm aufrechtzuerhalten, sind dies laut einer Langzeitstudie von Olson et al. [15], in der „Trotzkinder“ bis zu ihrer Adoleszenz beobachtet wurden, die besten Prädiktoren für ein Nichtaufreten externalisierenden Verhaltens.
Worauf die Eltern achten sollten
In Bezug auf den Umgang mit Trotzanfällen können die Eltern dahingehend beraten werden, dass sie schon im Vorfeld versuchen sollten, die bekannten Trotz auslösenden Situationen zu meiden. Die folgenden Fragen sind hierfür hilfreich:
— Wie und in welcher Form zeigt sich das Trotzen?
— Bei welchen Anlässen? Bei welchen Personen?
— Gibt es einen Auslöser? Gibt es Ausnahmen?
— Wo tritt der Trotzanfall auf? Gibt es bestimmte wiederkehrende Situationen, die zur Eskalation führen?
— Was sind die Hypothesen der Eltern?
Dem Kind können in der emotionalen Krise durch Ablenkung, Verschieben des Aufmerksamkeitsfokus und Verändern des Kontexts Brücken gebaut werden. Die Eltern werden darüber informiert, dass sie autoaggressive Handlungen konsequent nicht beachten sollten, wenn die Sicherheit des Kindes nicht gefährdet ist, was in den allermeisten Fällen der Fall ist. Dadurch wird das negative Verhalten des Kindes nicht mehr durch die erhöhte Aufmerksamkeit der Eltern in dieser Situation belohnt. Stattdessen kann mit den Eltern überlegt werden, welches positive Verhalten sie in diesem Moment beim Kind verstärken könnten, um es von diesen autodestruktiven Handlungen abzubringen. Ziel der Intervention ist es, erwünschtes Verhalten zu unterstützen und unerwünschtes Verhalten nicht zu beachten. Bei aggressivem Verhalten gegenüber anderen sollte dies sofort angesprochen werden („Nein, Julian, ich will nicht, dass du mich beißt. Das tut mir weh!“). Es emp›ehlt sich, dabei auf die Augenhöhe des Kindes zu gehen, um dem Satz durch Blickkontakt mit dem Kind mehr Nachdruck zu verleihen. Nach der Krisensituation sollte versucht werden, dem Kind eine positive Beziehungserfahrung zu vermitteln, um das positive Verhalten des Kindes entsprechend zu loben. Die Eltern müssen wissen, dass sich aggressives Verhalten nicht von einem Moment auf den anderen verändern lässt.
Buchtipp
Der Beitrag ist ein Auszug aus dem folgenden Buch: Manfred Cierpka Regulationsstörungen: Beratung und Psychotherapie für Eltern mit kleinen Kindern Springer, Berlin 2015 ISBN 978-3-642-40742-0 29,99 € 20 Pädiatrie 2017;
Normales und persistierendes Trotzen
Zu einer Veränderung kommt es durch ihre konsistente und konsequente Haltung dem Kind gegenüber. Manchmal eskaliert die Interaktion so stark, dass das Misshandlungsrisiko eine sofortige Distanzierung zwischen Elternteil und Kind notwendig macht. Häu›g ist es hilfreich, wenn die Mutter beziehungsweise der Vater das Zimmer verlässt, um die Affekte abzukühlen und die Kontrolle wiederzuerlangen. Nur nach entsprechender Beruhigung kann man nach alternativen Lösungen für die festgefahrene Situation suchen. Behandlungsansätze Informationsvermittlung, Beratung und psychotherapeutische Ansätze müssen sowohl auf die aktuelle, belastende Situation eingehen als auch das Ziel verfolgen, dass es bei den Kindern zu keinem persistierenden trotzigen Verhalten in Verbindung mit aggressiv-oppositionellem Verhalten kommt. Die therapeutische Unterstützung ist nach Dauer und Intensität gestuft und reicht von der Information über die Beratung bis zur Psychotherapie. Durch Informationsgespräche und entwicklungspsychologische Beratung wird versucht, den Eltern eine positiv unterstützende Haltung und Einstellung dem Kind gegenüber zu vermitteln. Wichtig ist, dass die Eltern verstehen, dass es in den spannungsreichen Situationen meistens nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung geht, der sie sprachlich begegnen sollten, sondern darum, dass sie selbst ruhig bleiben, Auswege aus der Situation zeigen und eindeutig bleiben. So könnten Therapeuten beispielsweise sagen: — „Es geht nicht darum, wer der Stärkere ist. Ihr Kind hat Schwierigkeiten, die Situation zu meistern!“ — „Sein Tun ist nicht gegen Sie gerichtet!“ — „Die Wut des Kindes darf sich nicht auf Sie übertragen. Lassen Sie Dampf ab, aber nicht gegenüber Ihrem Kind!“ — „Konnten Sie feststellen, unter welchen Umständen Ihr Kind nicht zum Trotzen neigt?“ Eine psychosoziale Beratung ist dann notwendig, wenn die guten gemeinsamen Momente von Eltern und Kind in den Hintergrund getreten sind und die negativen Erfahrungen überhandnehmen. Meistens ist dann das gesamte System Familie schon erheblich belastet. In der psychosozialen Beratung geht es vorwiegend um die gemeinsame Erarbeitung von entwicklungs- und beziehungsfördernden Lösungen für Eltern und Kind. Wenn eine zeitlich begrenzte symptombezogene Beratung möglich erscheint, reicht oft eine relativ geringe Anzahl von Kontakten aus. Im Fokus stehen dann die Besprechung und das Einüben von veränderten Interaktionen zwischen Eltern und Kind, damit sich das Trotzen und die Trotzanfälle in Frequenz und Intensität verringern. Die Sprachkompetenz des Kindes spielt eine herausragende Rolle. Karp und Spencer setzen an der noch mangelnden Sprachkompetenz der Kinder an. Die Eltern sollen ihrem Kind dessen Emotionen spiegeln und diese „verwörtern“. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, dass ihr Kind seine Bedürfnisse besser artikulieren kann, wodurch Frustrationen vermieden werden. Allerdings sollten Eltern ihr Kind nicht durch verbale Erklärungsversuche und inhaltliche Auseinandersetzungen überfordern. Kinder unter 3 Jahren benötigen in ihrer kleinkindlichen Erfahrungswelt Eltern, die sie anleiten und ihnen zeigen, was sie von ihnen möchten oder nicht möchten. Die inzwischen eingefahrenen negativ eskalierenden Interaktionszirkel können während der Beratung besprochen werden. Hierzu ist die Arbeit mit Videoaufnahmen und einem Videofeedback zu einer Spielszene zwischen Eltern und Kind sehr hilfreich. Nach dem Hinweis auf die gelungenen Szenen können die dysfunktionalen Szenen miteinander angeschaut und analysiert werden. Das Gewahrwerden der eigenen Gefühle (Wut, Ohnmacht, Trauer, Enttäuschung) hilft den Eltern meistens dabei, über ihre (unbewussten) Erwartungen an das Kind nachzudenken. Häu›g sehen sie im Videofeedback auch die Hilflosigkeit ihres Kindes, was dann zu einer anderen, positiveren und stärker unterstützenden Einstellung beiträgt und die Negativismen dämppft. Eine längerfristige Eltern-Kind-Psychotherapie ist meist dann indiziert, wenn die „Dosis“ der Beratung zu gering ist, um Veränderungen in der elterlichen Haltung, den erzieherischen Kompetenzen und dem maladaptiven Interaktionsstil herbeizuführen. In diesen Fällen sind die Eltern meist aufgrund ihrer eigenen (früh-)kindlichen Erfahrungen nicht in der Lage, die lösungsorientierten Ansätze einer Beratung kontinuierlich umzusetzen. Sie sind entweder mit sich selbst und mit ihrer Partnerschaft so beschäftigt, dass ihnen der Blick aufs Kind und dessen Bedürfnisse verstellt ist, oder sie nehmen dessen Verhalten aufgrund ihres eigenen Erlebens so verzerrt war, dass sie die Signale des Kindes als unangemessen interpretieren und entsprechend inadäquat reagieren. Bearbeitet werden vor allem die emotionalen Erfahrungen der Eltern und ihre im Kontext der Trotzanfälle ausgelösten Affekte. Zu achten ist auf die erlernten (dysfunktionalen und leidvollen) Konfliktlösungsmuster der Eltern, die häu›fig auch mit Gewalterfahrungen einhergehen.

Quelle:
www.springermedizin.de/paediatrie-zeitschrift. Manfred Cierpka
Dr. Alfons Haller / I-39040 Kurtinig / Gartenweg 3 / StNr: HLLLNS62C11A022I / IVA 01754470217
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